Montag, 15. Juni 2009

Was kostet die Welt...

Umweltorganisationen und Ökologen erörtern seit längerem die Frage, welchen Wert Natur tatsächlich hat. Immer zahlreicher werden Untersuchungen, gestützt von Fallstudien, zum ökonomischen Wert von Natur, von denen einige auch in nichtwissenschaftlichen Zeitschriften und Magazinen vorgestellt wurden und so eine breitere Leserschaft erreichten. Abseits der Wissenschaft wurde dieses Thema vom Mainstream erfasst und dadurch selbstverständlich auch von jenen, die es im stärksten Maße betrifft, registriert, nämlich der Wirtschaft. Hierzu zählt ebenfalls Tourismus, der besonders auf eine intakte, saubere Umwelt in der Tourismusdestination angewiesen ist. Doch was verbirgt sich hinter der Frage, die Ökologie und Ökonomie zu verbinden versucht? Unternehmen streben Gewinne an, die möglichst jedes Jahr ein Wachstum beschreiben sollen, was ökonomisch gedacht und aus marktwirtschaftlicher Sicht heraus nur vernünftig erscheint. Diese Praktiken haben in der Vergangenheit jedoch oftmals dazu geführt, dass sich der Mensch zugunsten von Profit über die Natur stellte und sie für seine Zwecke, über ein rationales Maß, ausbeutete. Um also Rendite und Renaturierung, Aktie und Aufforstung zusammenzubringen und eine Kausalität zwischen ihnen zu verdeutlichen, lassen sich besagte Untersuchungen gut heranziehen. Wissenschaftlich argumentiert, wird Natur mit allem Leben und aller Schönheit und vor allem als unsere Lebensgrundlage ein Teil einer Kosten-Nutzen-Rechnung. Ist es effizienter Natur zu nutzen oder zu schonen? Um nichts anderes geht es hier, nach dem Motto, was nichts kostet, ist nichts wert und was einen Wert hat, schätze ich. Die Formulierung mag sich kritisch anhören, aber ich stehe diesem Weg der Wertbeimessung recht offen gegenüber, solange man nicht vergisst, was für ein einzigartiges Gut hier auf seinen Wert hin berechnet wird. Lässt man sich auf das hier beschriebene Gedankenspiel ein, so landet man zwangsläufig nach Kosten-Nutzen bei Wenn-Dann. Jetzt mal ganz plakativ formuliert, bespielhaft ist mit Wenn-Dann gemeint, dass, WENN die Regenwälder weiterhin exzessiv abgeholzt werden, DANN kurzfristig hohe Gewinne durch den Rohstoff Holz, DANN beschleunigter Klimawandel, DANN nicht einschätzbare Kosten durch Folgen des Klimawandels.
Ergo, entweder man nutzt die Natur als Rohstofflager bis zu deren Erschöpfung oder man behandelt Rohstoffe nachhaltig, also unter dem Punkt der Bewahrung des Systems und ökonomisch gesprochen, erhalten sich Werte und Einnahmen konstant. Ich weiß, wenn man sich noch nie, oder bislang nicht intensiv mit der Thematik beschäftigt hat, lässt sich der Inhalt dieses Posts nicht ganz so einfach auf reale Beispiele übertragen. Um Euch diesen Schritt zu erleichtern, stelle ich mal einige Ausschnitte aus Untersuchungen, die sich mit dem Oberbegriff Umwelt und Geld befassen, vor. Frederic Vester errechnete Anfang der Achtzigerjahre den sogenannten Swiss Bird Index, der heute immer populärer wird. Anhand zahlreicher, individueller Indikatoren gab er Vögeln Preise, wie z.B. dem Blaukehlchen, das für ihn zum Forschungszeitraum einem Wert von 237 Schweizer Franken entsprach. Interessant ist dabei, dass Skelett, Federn und Fleisch lediglich knapp 2 Franken ausmachen, der bedeutend größere Anteil entfällt auf die „Funktionen“ des Blaukehlchens. Es frisst Schädlinge, verbreitet Samen, gilt als Indikator für Umweltbelastungen und nicht zuletzt erfreuen wir uns an ihm und seinem Gesang. Wenn wir schon in der Schweiz sind, bleiben wir auch gleich da. Die Technische Hochschule Zürich befragte in Zürich Wohnhafte, wieviel sie für eine Verbesserung der Luftqualität zu zahlen bereit wären. Insgesamt kamen die Initiatoren der Studie auf einen Wert von 290 Millionen Franken, den die Züricher für eine sauberere Luft zahlen würden.
Der WWF untersuchte den Lebensraum Meer und kam bei der Frage, welchen geldlichen Wert Ozeane haben, auf die erstaunliche Summe von 21 Billionen US-Dollar im Jahr. Allein der weltweite Fischfang hat mit 85 Milliarden US-Dollar und Millionen Arbeitsplätzen einen gewichtigen Anteil daran. Es lässt sich nur erahnen, was passiert, wenn wir die Meere weiterhin überfischen und ausbeuten. Schon aus ökonomischer Sicht lassen sich erhebliche Konsequenzen voraussehen, ganz zu schweigen von den ökologischen. Eine andere WWF-Studie bemaß den finanziellen Wert des Amazonas und kam für ein Hektar Amazonasgebiet auf einen Preis von 380 Euro im Jahr, der sich durch die Vermeidung von Erosion und CO2 Austoß sowie die gewachsenen Früchte und Pollen zusammensetzte. Der Erholungswert sowie Erträge aus Ökotourismus wurden mit 5,50 Euro pro Hektar vergleichsweise gering angesetzt.
Nutzt man den Amazonasregenwald wie heute landwirtschaftlich, sprich man rodet Holz, verkauft es zumeist in Richtung wohlhabender Industriestaaten und lässt das Vieh auf den gerodeten Flächen weiden oder kultiviert den Boden für die Zucht von Soja, ergeben sich in wenigen Fällen höhere Einnahmen als die WWF-Studie durch Nichtnutzung der Rohstoffe errechnete. Das Problem liegt darin begründet, dass durch Nutzbarmachung des Waldes reale Einnahmen erzielt werden, wohingegen bei den meisten Studien zu finanziellem Wert von Natur unklar bleibt, wer die errechneten Werte bezahlt. WWF-Expertin Kahlert definiert das folgendermaßen: „Es ist unter derzeitigen Rahmenbedingungen ökonomisch rational, den Regenwald abzuholzen, weil die Abholzung leider immer noch mehr wirkliches Geld bringt, als ihn zu erhalten. Nur die Zuweisung eines wirtschaftlichen Geldwertes und eine Bezahlung etwa für die Kohlenstoffspeicherung kann das Abholzen des Amazonas stoppen.“
Die langfristigen Kosten des Nichtreagieren sind nicht abschätzbar und auf die Folgen des Klimawandels ließe sich schwerlich reagieren. Nicht ohne Grund rufen Versicherungsgesellschaften zu ökologischerem Welthandel und Reaktionen auf den Klimawandel auf, sie sehen den wirtschaftlichen Nutzen darin oder haben plötzlich ihre vergessene Moral in der Schreibtischschublade gefunden.
Der Tourismus und hier insbesondere der nachhaltige Tourismus kann auch einen Beitrag zur Lebensgrundlage der Menschen leisten, so verdienen im Bunaken Meeres-Nationalpark Angestellte des Parks im Schnitt 114$ im Monat, Fischer nur 44$.
Alle Berechnungsmodelle sind in sich vage, weil die Vielzahl der zu berechnenden Faktoren nicht nur im Vorfeld festgelegt werden muss, sondern vielmehr in jedem einzelnen Fall variiert. Wenn die Studien aber dabei helfen, Entscheidungsträgern aus der Wirtschaft die Wichtigkeit des Erhalts der Natur zu verdeutlichen oder politische Diskussionen anzustoßen und die Position von Umweltbefürwortern zu erleichtern, erfüllen sie einen wichtigen Zweck.
Der Schutz der Umwelt zahlt sich aus, Industrienationen als Emittenten von CO2 profitieren vom Schutz der Natur, daher muss man in Zukunft den Blick dafür schärfen, das natürliche Ressourcen kostbar und eben nicht wertlos zu erhalten sind, was uns zurück zu dem Punkt bringt, was nichts kostet, ist nichts wert.

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